Reise

Warum Hundertwasser?
Ich weiß nicht genau, wann der Künstler mich zu interessieren begann. Irgendwann sah ich ein Bild, ein Gebäude, es berührte mich im Inneren, ohne dass ich sagen konnte, warum. Die Wirkung der Kunst schob sich vor das Nachdenken. Zunächst nur ein Gefühl, das ich nicht orten konnte. Es begann mich zu interessieren, wer diese lebensbunten Bilder und Häuser erschaffen hat. Ich las nach, schaute, fragte. Bücher, Kalender, Postkarten, im Laufe der Jahre hatte ich viele schöne Hundertwasser-Objekte gesammelt. Zum Geburtstag bekam ich eine Hundertwasser-Tasse. Ich kaufte mir die wenigen Bücher über den Künstler, erfuhr mehr über seine Ideen, die Architektur menschlicher zu gestalten. Fragte mich, ob das wirklich möglich ist, was er da forderte und in seinen Projekten umsetzte. Fragte mich, wer der schrullige, extrovertierte Einzelgänger war. Als Hundertwasser im Februar 2000 starb, war ich ratlos. Das konnte doch nicht alles gewesen sein. Ich suchte nach Spuren und entdeckte die Häuser, denen er Leben  gegeben hatte. Vor etwa 10 Jahren fasste ich den Entschluss, die Orte zu besuchen, an denen Bauwerke von Hundertwasser stehen. Da wusste ich noch nicht, wie viele es sind.
Ich habe eine große Landkarte. Auf der malte ich nach und nach alle Orte, zu denen ich reisen wollte, an. Eine Spardose nach der anderen füllte ich mit Kleingeld, das die Reise finanzieren sollte. Zu meinem 50. Geburtstag wollte ich sie mir selbst schenken.


Inzwischen besuchte ich mit der Familie mehrfach Österreich, stand geerdet und berührt in der Kirche von Bärnbach, badete in der Therme von Blumau. Ich  besuchte das Kunsthaus und das Hundertwasserhaus in Wien, besah das Fernwärmewerk Spittelau. Die Reisepläne wuchsen.
Zum Jahresende 2016 hatte ich eine Route festgelegt. Die Orte außerhalb Deutschlands musste ich zunächst aussparen, denn der Urlaub ist nicht lang genug und die Reise sollte nicht in Stress ausarten, sondern Genuss sein.
Als ich im Februar 2017 meinen 50. Geburtstag feierte, wurde das eine Hundertwasser-Feier. Mit selbst gestalteten Kerzen hatte ich die Tische dekoriert. Ein blaues Band zog sich über die Tafel, Gold und Farbe fehlten nicht. Alle Freunde schenken mir Reiseutensilien: Notizbücher, Regenschirm, Tasche, Bargeld, Gutscheine. Meine Tochter richtetet mir die Blogseite liebevoll ein.


Gut gerüstet trete ich nun meine große Reise am 4. September 2017 an.
Wieland Schmied beschreibt in seinem Buch über Hundertwasser dessen Liebe zum  "langsamen und bedächtigen Reisen, mit Verweilen an vielen Orten", als Wesenszug des Künstlers. Seine Bilder legen Zeugnis davon ab.
Ich nähere mich Hundertwasser und seinem Erbe also auf diese Art: Reisen, Schauen, Innehalten, Verweilen, Reisen....

1. Magdeburg, Grüne Zitadelle

Gebaut 1996-2005
Die Grüne Zitadelle ist ein mulitfunktionales Wohn- und Geschäftshaus am Magedburger Domplatz. Das Gebäude fügt sich in das architektonische Ensemble mit dem gotischen Dom, dem romanischen Kloster und den bariocken bzw. klassizistischen Gebäuden des Landtages ein. In der Grünen Zitadelle befinden isch 55 Wohnungen, im Erdgeschoss Ausstellungsräume, Geschäfte und Cafes, im oberen Bereich ein Kindergarten und ein Hotel. 
Ich werde im Art-Hotel, dem Hundertwasser-Hotel schlechthin, wohnen. 

Auszug aus dem Manifest der Grünen Zitadelle:
Natur, Kunst, Schöpfung sind eine Einheit. Wir haben sie nur auseinandergebracht. Wenn wir die Schöpfung der Natur vergewaltigen, dann werden wir die Schöpfung in uns selbst vernichten, dann zerstören wir uns selbst. Nur die Natur kann uns Schöpfung, kann uns Kreativität lehren. Unser wahres Analphabetentum ist die Unfähigkeit, schöpferisch tätig zu sein. Die Sehnsucht der Menschen nach einem Heim und einem Leben in Harmonie mit der Natur und ihrer individuellen Kreativität ist ungeheuer.

DIE GRÜNE ZITADELLE VON MAGDEBURG ist ein ungewöhnliches Architekturprojekt. Eine Oase für Menschlichkeit und für die Natur in einem Meer von rationellen Häusern. Sie soll die Sehnsucht der Menschen nach Romantik verwirklichen. Es ist genau diese Romantik, die die rationelle Architektur mit tödlichem sterilen Eifer negiert und zu eliminieren versucht.

DIE GRÜNE ZITADELLE VON MAGDEBURG ist ein Gebäude, das sich traditionsgebunden mit einer gewissen Strenge perfekt in die Umgebung des Domplatzes einfügt und dennoch revolutionär und innovativ ist, weil es in die Zukunft weist, in der die Natur und die Träume des Menschen wieder einen Stellenwert erhalten. Ein Haus, auf das Magdeburg stolz sein wird.

DIE GRÜNE ZITADELLE VON MAGDEBURG ist ein Ausgleich und gleichzeitig eine Brücke zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

DIE GRÜNE ZITADELLE VON MAGDEBURG ist eine Mehrung an Kulturgut, eine Bereicherung für Mensch und Natur.

DIE GRÜNE ZITADELLE VON MAGDEBURG wird wachsen wie ein Organismus. Sie ist kein seelenloser, aggressiver Klotz.

Architektur soll den Menschen erheben und nicht gleichschalten und erniedrigen. Architektur soll für den Menschen da sein. Er muß sich in ihr geborgen, wie zu Hause fühlen können. Sie muß seine dritte Haut sein können. Unsere Städte sind zu Beton gewordene Schnapsideen von Architekten, für die der Eid des Hippokrates nicht gilt, der da heißen soll:

'Ich weigere mich, Häuser zu bauen, wodurch die Natur und die Seele der Menschen zu Schaden kommen.'

2. Martin-Luther-Melanchton-Gymnasium Wittenberg

Gebaut 1993-1999
Anlässlich der notwendigen Grundsanierung der Schule für 1500 Schüler und Schülerinnen, eines Betonplattenbaus aus den 70er Jahren, äußerten die Schüler und Lehrer den Wunsch, Hundertwasser solle die Schule umgestalten. Der Künstler übernahm die Gestaltung ehrenamtlich. Er bezog bei dem Projekt die Schüler und Lehrer lebhaft mit ein. Am Gymnasium ist Hundertwasser mit seinen Ideen bis heute präsent. 
Hundertwasser sagte 1994: " gerade in der Architektur für Kinder, bei Schulen und Kindergärten, wurde nach dem Krieg in verbrecherischer Weise gesündigt. Die Kinder verbringen ihre kostbarste Zeit, ihre Jugend und Entwicklungsjahre, in Architekturen, die Strafanstalten oder übereinandergestapelten Hühnerställen ähneln. In denen die Seele des Kindes zugrunde geht...". Er schuf in Wittenberg u. a.  "Eine bewaldete, bewandelbare Dachlandschaft, wo die Vielfalt der Spontanvegetation sich mit der Kreativität des Menschen trifft". 

Link zur
Hunderwasserschule

3. Umweltbahnhof Uelzen


Gebaut 1995-2000

Der Umweltbahnhof ist ein Exponat der EXPO 2000 in Hannover, deren Motto "Mensch, Natur Technik" lautete. Der Bahnhof aus wilhelminischer Zeit wurde zum Umweltbahnhof umgebaut. Heute stehen auf seinem Dach Solaranlagen und ein Bio-Restaurant lädt zum Verweilen ein. 
Mit der Realisierung des Projektes Bahnhof 200 Uelzen sollen beispielhafte Lösungen für verschiedene Problemstellungen in den Bereichen der Förderung einer umweltverträglichen Mobilität, der Ressourcen schonenden Energiegewinnung und der Flächen spoarenden Binnenentwicklung von  Städten dargestellt werden. 


4. Porzellanfabrik Selb 

Das Projekt entstand 1980-1982.

Die künstlerische Gestaltung der Unternehmensgebäude hat in der Firma Rosenthal eine lange
Tradition. Hundertwassers Bestreben war es, dass die Fabrik "Friedne schließt mit der Natur". Dazu
erschien es ihm nicht ausreichend, nur die Fassade zu verändern. Sein Anspruch war es auch, die
Häuser "zu vermenschlichen", so dass das arbeitsklima sich bedeutend verbessert. 
Hundertwasser besänftigte die stereotypen waagerechten Linien des Hauses durch Veränderungen der
Fenster, pflanzte Baummieter und begrünte das Dach. Die Umgestaltung eines Parkplatzes gehörte
ebenso zum Projekt
Auf der Internetseite der Fabrik ist heute kein Verweis auf Hundertwassers Einfluss zu lesen. 
Es bleibt also spannend!


5. Hundertwasserturm und Kunsthaus Abensberg


Der Hundertasserturm wurde nach dem Tod des Künstlers, 2007 bis 2010, gebaut. 
Der ursprüngliche, im Jahre 1999 von Hundertwasser für Leonhard Salleck erdachte Entwurf für
einen 70 Meter hohen Turm konnte in dieser Form nicht realisiert werden. Er diente nach
Hundertwassers Tod als Inspiration für seinen langjährigen Freund und Mitarbeiter Peter Pelikan und
dessen eigenständige Bearbeitung und Neuplanung. 
Angenehme runde Formen, tanzende fenster, unebene Böden und organische Linien, Zwiebeltürme
und Baummieter- das sind die typischen Elemente von Hundertwassers menschengerechtem Bauen
im Einklang mit der Natur. Weltweit einzigartig,ist der Kuchlbauer-Turm zudem innen und außen
eine Hommage an das Bayrische Bier. 

Das Kunsthaus Abensberg wurde nach den Plänen von Peter Pelikan in der Zeit von 2011 bis 2014
erbaut. Im Kunsthaus wird Hundertwasser mit einer Ausstellung seines graphischen Werkes und
Dokumentationen zu ausgewählten Architekturprojekten geehrt. Die Ausstellung gibt Einblick in
die verschiedenen Schaffensbereiche Hundertwassers und des Wiener Architekten Peter Pelikan.

Obwohl die Gebäude erst nach Hundertwassers Tod errichtet wurden, stehen sie auf meiner
Reiseliste. Denn hier wird das Erbe des Künstlers auf besondere Weise gepflegt und Abensberg 
interessiert mich wegen seiner Vielfalt sehr. Ich weiß inzwischen, dass es viele andere Orte gibt, an
denen nach Hundertwassers Ideen
gebaut wurde. Sie alle zu besuchen, ist eine neue Reise wert. 


Link zum Kuchlbauer-Turm

6. Regenturm Plochingen

Gebaut 1990-1994

Bereits 1985 planten zwei  Plochinger Architekten den Bau eines Wohn- und Geschäftshauses
als Ringbau um einen Innenhof, das den vorhandenen Straßenzügen eingeschrieben sein sollte. 
1992 gelang es, Kontakt mit Hundertwasser aufzunehmen, der die Gestaltung übernahm.
Ihn reizte, dass der Betrachter im Innenhof "nur noch Hundertwasser um sich und den Himmel
über sich" habe -  eine eigene Hundertwasserwelt. Dies war bei keinem seiner bisherigen
Bauten der Fall und auch für den Künstler völlig neu. Der Bauträger gab sein Einverständnis 
und machte so den Weg frei für Hundertwassers farbige Märchenwelt. 
Der Turm der Anlage von Plochingen, bei der Hundertwasser die geradlinige Fassade in eine
organische umwandelte und zusätzlich zur Gestaltung des Innenhofes zwei Tore und den
Eingangsbereich entwarf, setzte einen städtebaulichen Akzent und gab der Stadt Plochingen ein
neues Wahrzeichen. 











7. Darmstadt Waldspirale

Gebaut 1995-2000

In diesem Bauwerk wollte Hundertwasser die Idee der Wiedervereinigung von Stadt und Natur
verwirklichen. Die Waldspirale ist eine große ansteigende Hausspirale, die am höchsten Punkt
in einem Spiralturm endet. jeder Punkt des Hauses ist begehbar und erreichbar, dennoch ist das
Haus nach Ansicht des Künstlers voller Geheimnisse. Die Baummieter sind nach
Hundertwassers Auffassung Botschafter des freien Waldes und bringen mehr
Wohngemeinschaft ein als die Menschemieter in der Stadt. 




 Link zur Waldspirale Darmstadt

8. Bad Soden Wohnanlage  "In den Wiesen"

Im Kurort Bad Soden im Taunus waren die Bedingungen für den Bau schwierig.
Denkmalgeschützte Häuser wie das Kurhaus aus dem Jahre 1722 waren einzubeziehen. Der
Baugrund selbst musste mit 250 Betonpfählen gesichert werden. 
Die Anlage wurde als "Haus im Haus" konzipiert und in Ziegelbauweise errichtet. 
Die Wohnungen erstrecken sich teilweise über mehrere Etagen, haben individuelle Grundrisse
und begrünte Terrassen oder Dachgärten. 

9. Frankfurt (Main) Kita Heddernheim


Gebaut 1987-1995
Geplant war das Projekt mit einer integrativen Schule, die jedoch nicht gebaut wurde. Der
Bauprozess war von vielen Problemen geprägt, u. a. gab es 1989 einen Baustopp, weil der
Boden des ehemaligen Werksgeländes, auf dem das Gebäude errichtet werden sollte, nicht
ausreichend saniert worden war. 
Die Realisierung des vergoldeten Turmaufbaus gelang nur mit einer Bausteinaktion 
(Spendenaktion) einer Frankfurter Zeitung und durch den Verkauf von Kunstdrucken
Hundertwassers, die er für diesen Zweck bereitstellte. 
Hundertwasser klagte im Bauverlauf gegen die Stadt Frankfurt (Main), weil man entgegen der
Planung Betonterrassen, Betontreppen und Rasensteine aus Beton verwendet hatte, außerdem
hatte man anstelle der bewaldeten Hügellandschaft Rasenflächen auf einer viel zu dünnen
Erdschicht angelegt. 
Nach einem gerichtlichen Vergleich konnte der Bau 1995 beendet werden. 






10. Essen Ronald-Mc-Donald Haus

Gebaut 1998-2005
Das Haus ist ein Familienzentrum für schwer erkrankte Kinder und deren Angehörige. Es gitb
eine sehr enge Zusammenarbeit mit der Klinik in Essen. 
Das Haus entstand in einem Naturschutzgebiet, dem Gruga-Park. Der Anspruch von
Hundertwasser war es, dass nach der Fertigstellung mehr Natur vorhanden sein sollte als vorher.
Es entstand ein Gebäude in Harmonie mit der Natur und der individuellen Kreativität des
Menschen. Hier können Familien Kraft schöpfen in einer sehr schwierigen Zeit. 





      Hier sollte eigentlich die 11. Adresse stehen, das Kinder-RehaZentrum Valkenburg in den Niederlanden. Die Nähe von Valkenburg zum Rheingebiet wäre eine schöne Chance gewesen, das einzige Hundertwasserhaus in den Niederlande zu besuchen. Leider hat die Logistik hier nicht geklappt. Valkenburg bleibt also auf meiner inneren Liste für die nächsten Reisen. Ebenso wie das Weingut Hirn in Eisenheim, das Wohnhaus in Dachau....... 



Und hier ist der Link zur Maps-Seite für die Reise:
https://drive.google.com/open?id=1eWhptm87o9YTXZI9vRprw1P0pt0&usp=sharing






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